Interview |

„Bei KI und Machine Learning besteht in Europa erheblicher Nachholbedarf“

  1. Prof. Dr. Volker Brühl
  2. Geschäftsführer des Center for Financial Studies an der Goethe Universität

Hedgework: Herr Prof. Brühl, die Lecture-Serie von CFS und Hedgework dreht sich um Künstliche Intelligenz (KI), Big Data und Kryptowährungen im Asset Management. Wie stark bestimmen diese Themen bereits die Wissenschaft?

Prof. Volker Brühl: Die Themen Künstliche Intelligenz, Big Data und Predictive Analytics sind seit geraumer Zeit Gegenstand unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen. Hier kommt es vor allem auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit an. Dazu gehören Ökonomen, Mathematiker, Informatiker, aber auch Mediziner, Psychologen und Soziologen. Denn es gilt hier, sehr unterschiedliche Aspekte miteinander zu verknüpfen, die weit über die reinen Algorithmen hinausgehen.

Hedgework: Die Finanzbranche und gerade das Asset Management sind im Grunde ja noch sehr traditionell aufgestellt. Viele Anbieter haben eine über 100jährige Historie. Wird es da nun Bewegung geben, sehen Sie innovative neue Anbieter kommen?

Prof. Brühl: Ja, das sehen wir ja bereits in der FinTech-Szene. Manche der jungen Unternehmen versuchen in direkte Konkurrenz mit den etablierten Spielern zu treten, beispielsweise durch Robo Advisor. Im institutionellen Asset Management sehe ich das gegenwärtig aber noch nicht. Da wird es vielmehr darauf ankommen, dass die eta­blierten Branchengrößen sich offen zeigen für neue Technologien wie KI und diese nicht von vorne herein ablehnen.

Hedgework: Viele blicken bei diesen Zukunftsthemen zuerst nach London, New York und ins Silicon Valley. Wie sehen Sie die Finanzbranche hierzulande aufgestellt?

Prof. Brühl: Mit Blick auf die Themen KI, Machine Learning und ähnlichen Technologien sind wir generell in Europa nicht so weit wie vor allem die US-Amerikaner, aber auch die Chinesen. Da besteht erheblicher Nachholbedarf. Manche Häuser beginnen gerade damit, Data Scientists zu rekrutieren, das ist zumindest ein Anfang.

Hedgework: Sie haben öffentlich eine Blockchain-Initiative europäischer Banken gefordert. Gibt es Bewegung in diesem Punkt?

Prof. Brühl: Nicht, dass ich es bislang erkennen könnte. Ich hoffe, dass die künftige Bundesregierung Akzente in der Digitalstrategie setzen wird. Da wäre das Thema Blockchain ein wichtiger Baustein.

Hedgework: Abschließend gefragt – wird der Mensch in der Finanzbranche, der Analyst, der Berater, der Fondsmanager, bald überflüssig?

Prof. Brühl: Nein, das glaube ich keineswegs. Aber es wird ähnlich wie in der Industrie zu veränderten Arbeitskonstellationen kommen. Mensch-Maschine-Systeme oder sogenannte Cyber-Physical-Systems (CPS) sind im verarbeitenden Gewerbe auf dem Vormarsch. Dieser Trend wird künftig auch in der Finanzindustrie an Bedeutung gewinnen.

Professor Dr. Volker Brühl ist Geschäftsführer des Center for Financial Studies an der Goethe Universität. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Banking, Financial Markets und  Corporate Finance. Darüber hinaus beschäftigt er sich seit einigen Jahren mit den Auswirkungen neuer Technologien wie KI, Predictive Analytics, Big Data und Machine Learing auf den Finanzsektor. 

Prof. Brühl hat für seine Arbeiten etliche Auszeichnungen erhalten, zuletzt den McKinsey Global Institute Award im Jahre 2016.

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