„Als Antizykliker glauben wir an Mean Reversion“

- Adam Choragwicki
- StarCapital
MÜNCHEN – Corporate Bonds sind als Bestandteil eines gut diversifizierten Rentenportfolios unverzichtbar. Zu Beginn der Corona-Krise wirkten sie jedoch wie ein Bremsklotz, erinnert sich Adam Choragwicki, Manager des StarCapital Argos Fonds. Er zeigt auf, warum mit dieser Anlageklasse gerechnet werden muss.
Herr Choragwicki, Sie steuern den StarCapital Argos, einen globalen Rentenfonds, der keinen Anlagebeschränkungen unterliegt. Wie stark wurde Ihr Portfolio von den Auswirkungen der Corona-Krise tangiert?
Adam Choragwicki: Wir sind von der schnellen Virusausbreitung und deren Auswirkung auf die Finanzmärkte überrannt worden. Daher konnten wir nur noch reagieren und wurden aufgrund unserer vergleichsweise hohen Gewichtung von Unternehmensanleihen überproportional von der Krise getroffen.
Gab es Anteilsrückgaben?
Choragwicki: Mit rund zehn Prozent im ersten Halbjahr waren sie, im Vergleich zu den offensiv ausgerichteten Fonds, bei denen teils 40 Prozent der Anteile zurückgegeben wurden, überschaubar.
Sie haben kurzfristig bis zu 25 Prozent Liquidität aufgebaut. Was haben Sie hierzu verkauft und weshalb?
Choragwicki: Ende März hatten wir unsere US-Treasury-Position reduziert, weil die Bewertungen von Unternehmensanleihen so attraktiv waren, dass wir hier ein deutlich größeres Ertragspotenzial gesehen haben als bei Staatsanleihen. Dadurch kamen wir auf einen Kassenbestand von 15,3 Prozent zuzüglich rund neun Prozent Treasuries als Liquiditätspolster.
Inzwischen liegt die Liquidität wieder in der Nähe von fünf Prozent. Welche Bestände haben Sie neu aufgebaut?
Choragwicki: Wir haben ausschließlich Unternehmensanleihen aus dem Bereich Investment Grade, High Yield und teils aus den Emerging Markets gekauft. Ende März lag der Anteil von Corporate Bonds im StarCapital Argos bei 46 Prozent und stieg bis Ende Juni auf 60 Prozent. Als Antizykliker glauben wir an Mean Reversion, also die langfristige Schwankung der Risikoprämien von Unternehmensanleihen um den Mittelwert. Anfang März lag die Risikoprämie vier- bis fünfmal höher als im langfristigen Durchschnitt und damit auf einem Niveau wie seit 2008 nicht mehr. Geht man davon aus, dass die Risikoprämien zu ihrem Mittelwert zurückkehren und die Anleihekurse entsprechend steigen, sollte man Unternehmensanleihen über- und risikofreie Staatsanleihen untergewichten.
Bei Ihrem Fonds legen Sie bevorzugt im Bonitätsbereich des Cross-over-Segments von „BB“ bis „BBB“ an. Inwiefern sind diese Segmente von einer erhöhten Ausfallwahrscheinlichkeit bedroht?
Choragwicki: Die Risikoprämien in diesem Bereich sind überproportional höher, als das statistische Ausfallrisiko für dieses Segment besagt. Um das Anlagerisiko zu begrenzen, legen wir unseren Fokus auf Unternehmen mit stabilen Cashflows, vertretbarer Verschuldung und solider Liquiditätsausstattung.
Wie gehen Sie mit dem Rest an Ausfallwahrscheinlichkeit um?
Choragwicki: Wir verzichten aus Überzeugung komplett auf das „CCC“-Segment, da diese Unternehmen statistisch gesehen am stärksten vom Zahlungsausfall bedroht sind. Laut Moody’s sind im Juni 27 Firmen pleitegegangen, fast alle hatten bereits ein Jahr vor der Insolvenz ein „CCC“-Rating. Hier verhält es sich umgekehrt wie im Cross-over-Segment: Die Ausfallwahrscheinlichkeit nimmt exponentiell zu, während die Risikoprämie dafür zu klein ist.
Wie steht es mit dem Risiko bei den sogenannten Fallen Angels, die mit Blick auf die Bonität aus dem Investment-Grade-Bereich herausgefallen sind?
Choragwicki: Solche Herabstufungen nach unten führen zu einem technischen Verkaufsdruck, weil Institutionelle und Benchmark-Investoren verpflichtet sind, diese Titel zu verkaufen. Dies führt zu überproportional hohen Risikoprämien – obwohl sich die Bonität nur um ein bis zwei Stufen verschlechtert. Vor dem Hintergrund der Mean Reversion eröffnet dies antizyklische Kaufgelegenheiten.
Und das, obwohl die Analysten einhellig eine schwere Rezession erwarten – oder haben Sie da eine andere Einschätzung?
Choragwicki: Wir gehen von einer U- oder W-förmigen Erholung aus. Auf dieser Basis engagieren wir uns aber nicht in Fallen Angels. Investitionen in diese Papiere erfolgen unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung. Meist sind die Unternehmen bemüht, wieder ihr Investment-Grade-Rating zu erreichen, indem sie Sparmaßnahmen einleiten oder Unternehmensbereiche abstoßen, um die Bilanzkennzahlen zu stärken.
Wie stellen Sie sich darauf ein?
Choragwicki: Unsere Erwartung einer Erholung im zweiten Halbjahr wirkt sich positiv auf die Allokation in Unternehmensanleihen aus. Wir schauen jedoch vor allem auf die Attraktivität der Bewertung und fragen uns: Wie hoch ist die Risikoprämie für die Übernahme des Risikos? Vor diesem Hintergrund sehen wir weiteres Aufholpotenzial bei Corporates.
Und wenn der Trend dreht?
Choragwicki: Wir behalten Staatsanleihen als „Last Source of Liquidity“, weil wir einen Publikumsfonds managen, bei dem wir auf Rückgaben vorbereitet sein müssen. Sollte eine neue Stressphase zu Liquiditätsengpässen bei Unternehmensanleihen führen, können wir diese Titel verkaufen, um Liquidität für mögliche Rückgaben, aber auch für antizyklische Käufe zu schaffen.
Wie begegnen Sie als globaler Anleihemanager dem Währungsrisiko?
Choragwicki: Wir sichern uns mit Devisentermingeschäften ab – und zwar immer dann, wenn uns mittelfristig eine negative Einschätzung zu einer Währung vorliegt. Unser Fokus gilt dem US-Dollar, dessen Risiko wir zuletzt heruntergefahren und mittlerweile komplett abgesichert haben.
Lässt sich die Situation am Credit-Markt in diesem Jahr mit der Finanzkrise vergleichen?
Choragwicki: 2008 spiegelten die – zu hohen – Risikoprämien eine Ausfallwahrscheinlichkeit von 60 Prozent aller High-Yield-Emittenten wider. Tatsächlich waren zwölf Monate später 13 Prozent insolvent. Ähnlich war es im März dieses Jahres, als der Markt eine Ausfallwahrscheinlichkeit von 45 Prozent der Emittenten im Hochzinssegment einpreiste – während Moody’s heute prognostiziert, dass etwa zehn Prozent dieser Unternehmen Konkurs anmelden werden. Nach unseren Erfahrungen aus der Finanzkrise heraus haben wir diesmal unsere Chance genutzt und in Unternehmensanleihen investiert. Aus antizyklischer Perspektive war dies für uns ein gefundenes Fressen.
Adam Choragwicki, CIIA, ist seit 2016 bei StarCapital und Lead Portfoliomanager des StarCapital Argos. Zuvor war er von 2007 bis 2016 bei DWS Investment und Helaba Invest als Senior-Portfoliomanager Global Fixed Income und Emerging Markets tätig.
Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in TiAM – Trends im Asset Management 03/2020
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