„Aktien und Risiko-Assets bleiben unter Druck“

- Ingmar Przewlocka
- Senior-Portfoliomanager
- Schroders
MÜNCHEN – Schon Ende 2021 senkte Ingmar Przewlocka die Aktienquote in seinem Multi-Asset-Fonds radikal und bleibt vorerst defensiv aufgestellt. Doch in einigen Bereichen sieht der Schroders-Portfoliomanager auch Anlagechancen – getreu seinem Konzept, immer auch mit dem Unwahrscheinlichen zu rechnen.
? Beschreiben Sie bitte den aktuellen Zustand der Märkte aus Sicht eines Multi-Asset-Managers.
Ingmar Przewlocka: Wir sind sehr froh, dass wir schon Ende vergangenen Jahres unsere Risiken auf Portfolioebene deutlich abgebaut haben. Zuvor waren wir sehr bullish und haben fast das ganze Jahr über die maximal mögliche Aktienquote von 50 Prozent ausgenutzt. Ende November bis Mitte Dezember haben wir diese bis auf 15 Prozent reduziert.
? Weshalb so früh?
Przewlocka: Weil wir gesehen haben, dass bei den Bewertungen etwas nicht stimmt und dass die Notenbanken von Quantitative Easing zu Quantitative Tightening gewechselt sind. Durch die niedrige Aktienquote konnten wir sehr viel abfedern.
? War bei 15 Prozent Aktienquote noch ein Rest Optimismus?
Przewlocka: Bei einem Mandat, das bis zur Hälfte in Aktien gehen darf, kann man schon sagen, dass wir mit dieser Absenkung sehr risikoavers aufgestellt waren. So haben wir den Growth-Bereich und auch das Small- und Mid-Cap-Segment stark von der Short-Seite gespielt. Daneben haben wir bei Unternehmensanleihen unser Exposure deutlich abgebaut und unsere Zinssensitivität auf Portfolioebene heruntergenommen. Aber wir hatten auch in einzelnen Aktiensektoren, die sehr gut gelaufen sind, ein signifikantes Übergewicht, beispielsweise im Energiebereich.
? Dass der Energiesektor anspringt, war doch eigentlich erst ab der Invasion in der Ukraine zu erkennen?
Przewlocka: Das eben nicht. Wir waren schon seit Längerem in diesem Sektor deutlich übergewichtet, aufgrund der attraktiven Bewertungen der Unternehmen und weil wir ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage ausgemacht hatten. Unsere Entscheidung für diesen Sektor war strategischer Natur und nicht Event-getrieben.
? Lassen Sie uns noch einmal zu Ihrer Markteinschätzung zurückkommen.
Przewlocka: Wir denken, dass Risiko-Assets – und das betrifft nicht nur Aktien – weiter unter Druck stehen werden. Es gibt viele Faktoren, die für sich alleine genommen schon schwierig für den Markt wären, aber in der gesamten Kombination eine sehr starke Herausforderung darstellen.
? Was genau meinen Sie?
Przewlocka: Einerseits die Notenbanken, die sich wieder auf ihre Kernaufgabe fokussieren, Preisstabilität zu gewährleisten, weshalb der vorherige Support sich nun über Straffungsmaßnahmen zu einem Gegenwind entwickelt hat. Zudem sind wir vom Konjunkturzyklus schon sehr weit fortgeschritten, weshalb wir in naher Zukunft mit einer Abschwächung rechnen sollten. Und dann natürlich auch die geopolitischen Risiken.
? Wie sieht Ihr Konzept dafür aus?
Przewlocka: Wir antizipieren frühzeitig neue Gegebenheiten, das ist unser Konzept. Dazu muss man auch unwahrscheinliche Szenarien in die Risikobewertung mit einbeziehen.
? Wie setzen Sie das um und wer bestimmt die Eintrittswahrscheinlichkeit für solche Szenarien?
Przewlocka: Das ist ein Teil des Prozesses. Solche Szenarioanalysen gehen wir in unseren Research-Meetings regelmäßig durch, auch wenn sie nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit haben. Werden die Szenarien durch entsprechende Preisbewegungen unterstützt, reagieren wir.
? Können Sie Beispiele nennen?
Przewlocka: Zuletzt hatten wir beispielsweise den Fokus sehr stark auf Inflation. Aber jetzt merken wir, dass die Anleiherenditen stark zurückkommen, gerade bei Government Bonds, was untypisch ist. Wir müssen also die Korrelationsveränderungen permanent betrachten, ob es sich um eine kurzfristige Episode handelt oder um einen strukturellen Wandel. Zugleich möchten wir natürlich Fallen vermeiden, wie etwa die Value-Traps.
? Wo haben Sie denn das Geld aus den Aktienverkäufen geparkt?
Przewlocka: Wir sind in Cash gegangen.
? Und jetzt?
Przewlocka: Unser Portfolio ist immer noch defensiv ausgerichtet, weil es noch einige Bereinigungen geben könnte. Daher ist es wichtig, dass wir flexibel agieren können und auch symmetrisch an den Märkten handeln. Das heißt, dass wir mittels Long/Short-Positionierungen auch relative Bewertungen ausnutzen. Das ist die Fertigungstiefe, die Kunden von uns erwarten, um einen Total Return zu liefern. Zuletzt haben wir auf niedrigerem Niveau wieder Positionen aufgebaut. Zum Beispiel sehen wir im vorderen Bereich der US-Zinskurve attraktive Einstiegsniveaus, die wir genutzt haben durch den Kauf von Corporate Bonds; oder im Emerging-Markets-Bereich, zum Beispiel selektiv in Brasilien.
? Wie hat sich das Fondsvolumen entwickelt?
Przewlocka: Da hatten wir zuletzt deutliche Zuflüsse, unter anderem aus Asien, sodass wir jetzt bei rund 400 Millionen Euro stehen. Vor allem auch wegen der Performance. Mein Team hat den Fonds vor drei Jahren übernommen, ihn komplett umstrukturiert und liefert konstant gute Ergebnisse. Investoren honorieren, dass insbesondere in schwierigeren, hoch volatileren Märkten von uns geliefert wird.
? Was könnte denn Unwahrscheinliches passieren, damit sich Ihr Szenario ins Positive verwandelt?
Przewlocka: Etwa wenn China von der Null-Covid-Strategie abrücken würde und die globalen Lieferengpässe abnehmen würden. Oder ein Politikwechsel in Russland, wonach der Westen wieder bessere Beziehungen zu dem Land aufbauen könnte. Positiv wären auch neue fiskalpolitische Impulse in Europa, die ein stärkeres Zusammenwachsen zur Folge hätten. Das sind momentan nicht unsere Basisszenarien, aber wir spielen diese durchaus in unseren Szenarioanalysen durch.
? Wie würden Sie dann im Eintrittsfall reagieren?
Przewlocka: Wir haben immer für sämtliche Positionen im Portfolio ein klares Exit-Level, bei dem wir die Position verlassen, sowohl positiv als auch negativ. Wir wollen mit unseren Einschätzungen nicht unbedingt recht behalten, sondern möchten am Ende eine gute Performance abliefern. Wenn wir dabei aus den falschen Gründen richtig liegen, stört uns das auch nicht.
Ingmar Przewlocka ist Senior-Portfoliomanager bei Schroders. Der Multi-Asset-Experte verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung und ist seit Juni 2018 bei Schroders. Zuvor war er unter anderem Gründungsmitglied und CIO von SKALIS AM sowie langjährig als Senior-Portfoliomanager Multi-Asset für die MEAG tätig.
Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in TiAM – Trends im Asset Management 02/2022
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