„Agenda 2020 – nachhaltig, alternativ und digital: Fondsbranche im Umbruch“

  • 170. Hedgework
  • Uwe Lill (li.), Hedgework
  • Frank Dornseifer, BAI

FRANKFURT — Auch im Jahr 2020 stehen verschiedene neue Regulierungsthemen an, beispielsweise ein KAGB- und AIFMD-Review, die Sustainable Finance Initiative sowie die Regulierung von elektronischen Wertpapieren. Themen, die für Investoren von ­ Belang sind, wie Frank Dornseifer, Geschäftsführer beim Bundesverband Alternative Investments e.V., befindet. Im Interview mit Hedgework beschreibt er die Auswirkungen.

HEDGEWORK: Herr Dornseifer, wir hören immer öfter, dass Investmenthäuser verschiedenste Budgets kürzen oder streichen müssen, um die Kosten der Regulierung stemmen zu können. Welche Regulierungsmaßnahmen stehen uns denn als nächstes ins Haus?
Frank Dornseifer: Das Phänomen, welches Sie beschreiben, nenne ich gerne Regulierungstetris. Ständig fällt ein neuer (Regulierungs-)Baustein in das (Regulierungs-)Spielfeld und man versucht, diese lückenlos zu stapeln. Gelingt dies nicht und türmen sich nicht abgebaute Reihen bis zum oberen Spielfeldrand auf, ist das Spiel zu Ende. Im übertragenen Sinne heißt das, dass Aufwand und Kosten für Regulierung die eigentliche Geschäftstätigkeit zum Teil übermäßig belasten und im Extremfall dazu führen, dass Finanzinstitute aus dem Markt ausscheiden müssen.

HEDGEWORK: Welche Steine fallen denn jetzt gerade ins Feld?
Dornseifer: Da kommen einige Regulierungsbausteine nicht ganz unerwartet eingeflogen, denn diverse Regulierungsakte wie die AIFM-Richtlinie, die Solvency-II-Richtlinie oder die Bankenregulierung CRR stehen auf dem turnusmäßigen Prüfstand, eben weil der Zeitpunkt für die Überprüfung schon mit der damaligen Verabschiedung festgeschrieben wurde. Aber neben diesen Reviewprozessen gibt es natürlich auch eine Reihe von neuen Regulierungsbausteinen, mit denen die Branche umgehen muss. An erster Stelle natürlich die Sustainable Finance Initiative der EU mit ihren zehn Maßnahmenpaketen. Während manche Rechtsakte hierzu bereits beschlossen sind, gibt es noch eine Reihe von weiteren Maßnahmen, insbesondere Durchführungsrechtsakte, die noch verhandelt bzw. von den europäischen Aufsichtsbehörden erarbeitet werden müssen.
Apropos europäische Aufsichtsbehörden, auch deren Kompetenzen, Ausgestaltung sowie die Finanzierung werden derzeit im Rahmen des Reviews debattiert. Hier geht es vor allem um Zentralisierung versus Subsidiarität. Wir fühlen uns mit einer regulatorisch langjährig vertrauten und örtlich nahen Aufsicht jedenfalls wohler als mit einer zentralisierten Aufsicht in Paris.

HEDGEWORK: Welche Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht für die (alternative) Finanzbranche von besonderer Relevanz?
Dornseifer: Für die AI-Branche, deren Geschäftsmodell und Wettbewerbsfähigkeit ist natürlich der Review der AIFM-Richtlinie von großer Bedeutung. Mittlerweile kristallisieren sich vorläufige Schwerpunkte des anstehenden AIFMD-Reviews heraus. Diese reichen von nationalen Privatplatzierungsregelungen und Drittstaatenpass über Risiko- und Liquiditätsmanagement und Vergütung bis hin zum Verwahrstellenpass und Digitalisierungsthemen. Es besteht zwar Einvernehmen, dass es nicht zu einer grundlegenden Novellierung der AIFM-Richtlinie kommen soll, nichts destotrotz muss dieser Prozess sorgfältig beobachtet und begleitet werden, zumal immer auch mit unerwarteten Vorstößen aus einzelnen Mitgliedstaaten gerechnet werden muss, wie etwa einem Single Rule Book für die Asset-Management-Branche, in dem UCITS- und AIFM-Richtlinie zusammengefasst werden sollen. Ebenso wurde vereinzelt eine Harmonisierung der Regelungen zur Kreditvergabe durch Investmentfonds gefordert. Diese Beispiele machen deutlich, dass auch die AIFMD-Novelle ein volatiler Prozess ist, der unsere volle Aufmerksamkeit und Begleitung erfordert, gerade in den aktuellen Gesprächen der sich neu konstituierenden EU-Kommission mit den Mitgliedsstaaten. Im neuen Jahr erwarten wir dann den Bericht der EU-Kommission zum AIFMD-Review mit konkreten Vorschlägen zu Änderungen. Möglicherweise gewinnt dieser Prozess auch durch die jüngst von der EZB im Financial Stability Review geäußerten Sorgen über die vermeintliche Risikofreude der Asset Manager eine neue Dynamik.

HEDGEWORK: Lassen Sie uns auch einen Blick auf die anstehende Novellierung des KAGB werfen. Was steht hier auf der Agenda?
Dornseifer: Hier geht es vor allem um die Umsetzung der europäischen Richtlinie zum grenzüberschreitenden Fondsvertrieb, die als zentrale Inhalte Regelungen zum sogenannten Pre-Marketing und zur Reverse Solicitation enthält.

HEDGEWORK: Was bedeutet das konkret?
Dornseifer: Es geht zum einen um die Bereitstellung von Informationen über Anlagestrategien oder Anlagekonzepte für Investoren, bevor ein Fonds aufgelegt und bei der Aufsicht angezeigt ist. Dieses Antesten ist für Fondsmanager genauso wichtig wie für Investoren und es gab hier in der Vergangenheit auch keine Beanstandungen zum Verfahren. Ab Juni 2021 ist dann auch das Pre-Marketing anzeigepflichtig, was schon einen bürokratisch fragwürdigen Mehraufwand darstellt. Noch schlimmer ist aber der Umstand, dass in dem Land, in dem der Fondsmanager das Pre-Marketing angezeigt hat, professionelle Investoren einen entsprechenden Fonds nur dann aktiv nachfragen und zeichnen dürfen – Reverse Solicitation –, wenn der Fonds auch formell bei der Aufsicht angezeigt ist. Gerade davor haben wir die EU-Institutionen und die Bundesregierung nachdrücklich gewarnt und selbst die Aufsichtsbehörden sehen diese Bürokratie kritisch. Wir hoffen, dass die Bundesregierung hier am Ende doch noch nachsteuert.

HEDGEWORK: Der Gesetzgeber plant auch, Deutschland zu einem führenden Standort für Sustainable Finance auszubauen. Dafür müsste er aber erst noch einige Weichen stellen. Welches sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten?
Dornseifer: Als erstes muss die Bundesregierung verstehen und anerkennen, dass der Finanzplatz Deutschland eben nicht nur aus Banken und Versicherungen besteht, sondern mit der Asset-Management-Branche eine dritte Säule hat, die zudem in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen wird. Deutschland wird nur dann zu einem führenden Sustainable-Finance-Standort, wenn besonderes Augenmerk auf die Fondsbranche gelegt wird, wenn die Wettbewerbsbedingungen für das Aufsichts- und Steuerrecht der Fonds aufeinander abgestimmt sind. Schwerfällige Dauerthemen wie die Umsatzsteuer auf die Management Fee oder ein Investmentsteuerrecht, welches die Anlagemöglichkeiten von Spezialfonds limitiert, haben dazu beigetragen, dass Deutschland als Fondsstandort bereits viel Boden verloren hat. Ohne deutliche ­Signale bei der Fondsregulierung werden wir in diesem Sektor bei Sustainable Finance nicht punkten.

HEDGEWORK: Vielleicht noch ein Sprung zur weiteren Digitalisierung. Wo stehen wir denn bei der Einführung von elektronischen Wertpapieren?
Dornseifer: Die Einführung von elektronischen Wertpapieren ist längst überfällig. Wir leben mit der Globalurkunde, die in einem Tresor aufbewahrt wird, wertpapiertechnisch noch in der Steinzeit. Der entsprechende Gesetzentwurf soll im Frühjahr kommen und da sind wir schon sehr gespannt. Die Fragen lauten: beschränkt sich die Digitalisierung auf Wertpapiere und Fondsanteile, bekommen wir ein Wertpapierregister, oder übernimmt diese Funktion die Blockchain, und gelingt es, zivil- bzw. sachenrechtliche Fragestellungen pragmatisch auszuklammern?

HEDGEWORK: Wie ist Ihre Einschätzung dazu?
Dornseifer: Erfahrungsgemäß ist die deutsche Gesetzgebung träge wie ein Supertanker. Sorgfalt ist natürlich sehr wichtig. Gegebenenfalls gelingt es aber, diese wichtigen Zukunftsthemen konzertiert voranzutreiben. Eine erste vorgeschaltete Anhörung von BMJ und BMF zu diesen Themen war jedenfalls sehr produktiv.

HEDGEWORK: Abschließend gefragt – wie ist der Stand der Regulierung von Krypto-Assets und was steht uns hier ins Haus?
Dornseifer: Auch wenn dieses Thema in der institutionellen Kapitalanlage derzeit noch wenig Beachtung findet – digitale Assets sind auf dem Vormarsch. Mit der Einführung des Krypto-Verwahrgeschäfts im KWG hat der Gesetzgeber seinen ersten Schritt auf diesem Feld gemacht, nachdem die BaFin bei der aufsichtsrechtlichen Qualifizierung von Krypto-Assets wichtige und pragmatische Vorarbeit geleistet hat. Krypto-Assets sind ohnehin schon für alternative Investmentfonds erwerbbar, allerdings fehlt im KAGB noch eine ausdrückliche Klarstellung zur Verwahrung dieser Assets.

Vita:
Frank Dornseifer ist Geschäftsführer beim Bundesverband Alternative Investments e.V., Bonn, und für die Verbandsaktivitäten Recht, Regulierung, Politik und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Er ist seit über 18 Jahren in unterschiedlichen Funktionen im Investment-, Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht aktiv. Nach seinem Studium in Bonn, Dublin und Lausanne arbeitete er zunächst als Rechtsanwalt in einer internationalen Anwaltssozietät in den Gebieten Gesellschafts- und Wertpapierrecht. Es folgte eine mehrjährige Tätigkeit als stellvertretender Referatsleiter bei der BaFin im Grundsatzreferat Investmentaufsicht und als Repräsentant im Investment Management Committee der Organisation der internationalen Wertpapieraufsichtsbehörden IOSCO, bevor er im Jahre 2007 zum BAI wechselte.
Dornseifer ist auch Autor zahlreicher Fachpublikationen zum Investment- und Gesellschaftsrecht und Herausgeber von Kommentaren zum KAGB/InvG und zur AIFM-Richtlinie. Der Finanzausschuss des Bundestages und das Europaparlament haben ihn mehrfach als Sachverständigen in Gesetzgebungsverfahren zum Kapitalmarktrecht benannt.

Der Bundesverband Alternative Investments e.V. (BAI) ist die assetklassen- und produktübergreifende Interessenvertretung für Alternative Investments in Deutschland und hat zum Ziel, den Bekanntheitsgrad alternativer Anlagestrategien und -klassen in der Öffentlichkeit zu verbessern. Der BAI wurde 1997 in Bonn gegründet, der Kreis der Verbandsmitglieder setzt sich aus allen Bereichen der professionellen Alternative Investment-Branche zusammen. 219 nationale und internationale Unternehmen sind derzeit Mitglied im BAI.

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