Interview |

„Wir müssen uns jetzt mit Künstlicher Intelligenz beschäftigen“

  1. Günter Jäger,
  2. CEO, PLEXUS Investments

HEDGEWORK: Gibt es denn eine akzeptierte Definition von Künstlicher Intelligenz?

Günter Jäger: Eine weit verbreitete Beschreibung ist, wenn Maschinen dazu gebracht werden können, Sprache zu benutzen, Abstraktionen vorzunehmen und Konzepte zu entwickeln, Probleme von der Art, die zurzeit dem Menschen vorbehalten sind, zu lösen, und sich selbst weiter zu verbessern. So hat die Dartmouth Conference schon 1956 Künstliche Intelligenz beschrieben, dies gilt als die Geburtsstunde des Themas als akademisches Fachgebiet.

 

HEDGEWORK: Sie beschäftigen sich als Vermögensverwalter intensiv mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Asset Management. Wie können diese neuen Konzepte die Finanzindustrie verändern?

JÄGER: Um das zu beantworten, muss man einen Schritt zurücktreten und die Historie der Vermögensverwaltung betrachten. Das Management von Kapitalanlagen lässt sich – vereinfacht – als Entwicklung darstellen. Zunächst natürlich die fundamentale Analyse, dann die quantitativen Ansätze, und schließlich heute die Künstliche Intelligenz. Was nur wenig betrachtet wird, ist die Betrachtung dieser Entwicklungen im Kontext ihrer Zeit.

 

HEDGEWORK: Was meinen Sie damit?

JÄGER: Dass sich beispielsweise die technologischen Möglichkeiten dramatisch geändert haben. Als Warren Buffett 1969 sein Unternehmen Berkshire Hathaway zu einer Investmentholding umgebaut hat, hat IBM seine schrankgroßen Mainframe-Computer verkauft. Jeder handelsübliche PC arbeitet heute um den Faktor 20.000 und mehr leistungsfähiger als die damaligen Hochleistungsmaschinen. 1982, als James Simons einen der berühmtesten quantitativen Hedgefonds – Renaissance Technologies – gegründet hat, steckte die IT immer noch in den Kinderschuhen. Dennoch gelten die fundamentalen und quantitativen Investmentansätze aus dieser Zeit immer noch als führend.

 

HEDGEWORK: Aber was ist heute anders?

JÄGER: Wir sehen heute in vielen Bereichen Entwicklungen, die noch vor wenigen Jahren als illusorisch erschienen. Die Mehrheit der Konsumenten geht mit dem Smartphone ins Internet, oft mehr als 100mal am Tag. Da wäre es doch aus unserer Sicht vermessen zu sagen, dass ausgerechnet in der Kapitalanlage sich keine neuen Ansätze durchsetzen sollen. Die Künstliche Intelligenz hat meiner Meinung nach das Potenzial, hier eine disruptive Veränderung zu bewirken.

 

HEDGEWORK: Trends gab es schon viele im Asset Management. Was macht Sie sicher, dass es diesmal ein grundlegender Wandel ist?

JÄGER: Ich bin gar nicht sicher, das kann niemand sein. Wir sagen nur, dass es fahrlässig wäre, sich nicht jetzt schon intensiv mit dem Thema zu beschäftigen. Die Geschichte ist voll von Beispielen, wie erfolgreiche Unternehmen sich auf ihren Erfolgen ausgeruht haben und dann untergegangen sind.

 

HEDGEWORK: Wie unterscheiden sich KI-Manager von traditionellen Asset Managern?

JÄGER: Eine große Rolle spielen die Daten, die KI-Manager einsetzen. Traditionell konzentrieren sich Fondsmanager auf Finanzdaten, also Preis- und Volumendaten von Wertpapieren und Indizes, Unternehmenskennzahlen und volkswirtschaftliche Indikatoren. Aber es gibt noch eine große Bandbreite an weiteren Daten. Wenn wir bei den Finanzdaten bleiben, dann hat man sich auf sogenannte strukturierte Daten beschränkt. Heute gibt es aber Software, die zuverlässig und effizient Finanznachrichten, Pflichtmitteilungen und Geschäftsberichte erfassen und analysieren kann.

 

HEDGEWORK: Was wäre der nächste Schritt?

Jäger: Wir nennen es Soziale und Umweltdaten. Etwa die großen Datenmengen, die Internetnutzer jede Minute als Tweets, Blogs, etc. produzieren und Aufschluss über ihr Verhalten und damit auch über wirtschaftliche Zusammenhänge geben können. Dann gibt es Wetterdaten, Wahlergebnisse, Satellitenbilder und viele andere Datenquellen. Auch hier unterscheidet man zwischen strukturierten Daten, die bereits aufbereitet vorliegen, und unstrukturierten Daten, wie Zeitungsartikel und Social-Media-Aktivitäten.

 

HEDGEWORK: Wie kann man damit eine Investmentstrategie umsetzen?

Jäger: Ein Beispiel wäre, Datenquellen zu nutzen, wie die automatische Analyse von Zeitungsartikeln und Social-Media-Beiträgen, sowie Machine Learning zum Trainieren der Modelle, alles implementiert in der Cloud. Das Unternehmen trainiert seine Computer quasi darauf, menschliche Analysten zu ersetzen – und das rund um die Uhr.

 

HEDGEWORK: Das sind neue Daten, aber eine eher traditionelle Strategie. Gibt es auch Beispiele für andere Strategien?

Jäger: Ein sehr interessanter Ansatz wertet, vereinfacht gesagt, die Standortdaten von Mobilfunknutzern aus. Hier geht es nicht um personenbezogene Daten, sondern darum, wie viele Nutzer sich zum Beispiel wie lange in den Filialen einer Handelskette aufgehalten haben. Daraus kann man, sozusagen in Echtzeit, Rückschlüsse über die Umsätze im laufenden Quartal gewinnen, lange bevor das Unternehmen die offiziellen Daten bekannt gibt. Mithilfe moderner Machine-Learning-Technologie werden die Daten in Handelssignale umgewandelt.

 

HEDGEWORK: Wie viele KI-Manager gibt es überhaupt weltweit?

Jäger: Wenn wir nach Künstlicher Intelligenz im engeren Sinne suchen, dann sprechen wir von 20 bis 30 Managern weltweit. Aber der Markt wächst sehr schnell. Daher ist es wichtig, sich jetzt mit dem Thema zu beschäftigen.

 

HEDGEWORK: KI-Manager arbeiten meist unter dem Radar der Investoren und verwalten oft nur kleine Anlagesummen. Können Sie dennoch einen Namen nennen?

Jäger: Ein KI-Manager, der bewusst den Austausch mit der Öffentlichkeit sucht, ist Numerai, gegründet von Richard Craib. Seine Methode ist aus der Sicht traditioneller Asset Manager komplett verrückt: Er richtet jede Woche einen Wettbewerb aus, an dem weltweit tausende Data Scientists teilnehmen, um Zusammenhänge in einem von Numerai zur Verfügung gestellten riesigen Zip-File zu entdecken. Dabei wissen die Teilnehmer nicht, um welche Daten es sich handelt, und Numerai kennt nicht die Methoden der Teilnehmer. Auf diese Weise will Numerai Trends und Muster in Kursreihen erkennen und nutzt einen riesigen Pool an Data Scientists, ohne selbst Analysten einstellen zu müssen. Die Sieger in dem Wettbewerb werden teilweise in Numeraire, einer von Numerai kreierten eigenen Krypto-Währung bezahlt.

 

HEDGEWORK: Abschließende Frage, die vor allem Investoren interessiert: Gibt es denn schon Fonds, die sich auf KI-Manager spezialisiert haben?

Jäger: Bei Fund-of-Funds für den breiten Vertrieb wäre ich vorsichtig, weil das investierbare Universum an Zielinvestments aus unserer Sicht noch zu klein ist. Bei PLEXUS Investments gehen wir einen etwas anderen Weg. Wir legen einen Luxemburger Spezialfonds in Zusammenarbeit mit der FRANKFURT-TRUST Invest Luxemburg AG auf. Dieser wird sich von einem klassischen Fund-of-Funds unterscheiden und nur für qualifizierte Anleger verfügbar sein.

 

 

Das Interview führte Joachim Althof (Hedgework)

Günter Jäger ist Gründer und Managing Partner von PLEXUS Investments. Vorher leitete er das Portfolio Management des fürstlichen Portfolios sowie der Multimanager-Produkte bei der LGT Capital Management AG in Pfäffikon. Er verfügt über einen Abschluss als Magister der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften sowie ein Eidgenössisches Diplom des Finanz- und Anlageexperten. Er ist außerdem Chartered Alternative Investment Analyst (CAIA), Certified Financial Risk Manager (CFRM) und Certified International Wealth Manager (CIWM).

PLEXUS Investments AG ist ein unabhängig agierender, global vernetzter Vermögensverwalter mit Zugang zu außergewöhnlichen Investmentideen. PLEXUS besucht Investmentmanager weltweit, um mit den Entscheidungsträgern zu sprechen. Im Bereich Künstliche Intelligenz („KI“) im Finanzbereich hat PLEXUS das notwendige Know-How aufgebaut, um als Bindeglied zwischen Investoren und der KI-Welt agieren zu können.

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